Route: | Alp Sellamatt – Mittelstofel – Lochhütte – Brisizimmer – Brisi – Brisizimmer – Strichboden – Selun-Seilbahn (private Bahn der simplen Art, Gruppen melden sich an) | |
Dauer: | 5.5 Stunden. 1080 Meter aufwärts, 890 Meter abwärts. | |
Einkehr: | Alpwirtschaft zum Wilden Mannli, Strichboden. Bis Ende August durchgehend offen. | |
Hinkommen: | Von Alt St. Johann mit der Gondel-/Sesselbahn nach Sellamatt. |
Kolumne von Thomas Widmer
Eines Sommertages gondeln wir von Alt St. Johann hinauf zur Alp Sellamatt. Unterwegs rufen wir uns die Namen der sieben Churfirsten in Erinnerung, von denen gleich vier zackig über die Tannen vor uns ragen. Selun, Frümsel, Brisi, Zuestoll, Schibenstoll, Hinderrugg, Chäserrugg! Den Brisi haben wir uns für diesmal vorgenommen. Er hat an mir in den letzten Jahren auf eine eigenartige Weise gezupft und gezogen. «Komm zu mir», schien er mir jedes Mal zu sagen, wenn ich ihn auf irgendeiner meiner Toggenburgtouren von weitem sah. «Komm endlich zu mir!»
Heute muss, heute soll es sein. Auch wenn es eigentlich zu heiss zum Wandern ist. Das Bergrestaurant auf Sellamatt ignorieren wir; wir wollen vorwärtsmachen. In dem angenehmen, mässig coupierten Alpgelände kommen wir gut voran, sind bald bei der Lochhütte. Der Brisi, 2279 Meter hoch, rückt näher und schockiert immer mehr: Was für ein Klotz! Was für eine Rampe! Das wird hart!
Dann das Brisizimmer. Ich bin enttäuscht. Ich weiss gar nicht, was ich mir vorgestellt habe, als ich zu Hause die Karte studierte – irgendwie, dass das Gelände ein Zimmer bildet. Also eine Kammer. Da sind aber nur ein Wegweiser und ein paar Alphütten.
Nun beginnt der Aufstieg. Teil eins führt durch eigenartig verkrautetes Gelände, die Wedel und Farne und Nesseln stehen hüfthoch und verdecken die Löcher im Kalkboden. Dies ist Karstgelände, man muss auf seine Tritte achten. Ein Gatter führt durch ein Felsband auf das schräg gestellte Pultdach des Brisi. Teil zwei, nun ja, ist zwar kaum noch verkrautet. Aber der Karst macht sich umso brutaler bemerkbar. Die Stufen sind hoch, bröckelig, unregelmässig. Oben sind wir erschöpft. Doch das Panorama entschädigt für alles. Auf der einen Seite haben wir die Säntiskette, auf der anderen die Gipfel über dem Flumserberg wie der Spitzmeilen. Und die Glarner Alpen. Durch eine Lücke im Fels sehen wir auf einen blauen Fleck zu unseren Füssen: die Ostspitze des Walensees.
Ah ja, unbedingt muss ich an dieser Stelle eine Warnung absetzen: Die Wanderung auf den Brisi ist mühsam, aber ungefährlich, wenn man trittsicher ist. Nie geht man ausgesetzt. Aber oben die Kante, die hat es in sich. An sie zu treten, ist freiwillig; doch wer es tut, ist konfrontiert mit dem Nichts: Mehr als 1800 Meter stürzt das Gelände zum Walensee ab.
Endlich reissen wir uns doch los. Wir schwitzen bald noch mehr als im Aufstieg: Kontrolliert abwärtsgehen und bremsen ist enorm streng. Nach dem Brisizimmer wird alles wieder leicht. Wir sind nun auf dem erwähnten Alpboden, halten Richtung Westen, kommen zu einem Schild, das das Wildmannlisloch anzeigt. Die Höhle ist bekannt, ich wollte sie schon lange besuchen – doch nicht heute! Wir sind müde. Ausgedörrt von der australischen Hitze.
Beim Alprestaurant zum Wilden Mannli auf dem Strichboden lassen wir uns auf den Bänken nieder und – der Leser entschuldige die Vulgärsprache – saufen Wasser wie die Kamele. Hunger haben wir kaum, dabei gäbe es Angusrind-Bratwürste. Als wir uns wieder stark genug fühlen, brechen wir auf zur nahen Selun-Seilbahn hinab nach Starkenbach. Selun? Ich glaube, das wird mein nächster Churfirsten sein.
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