Route: | Veysonnaz Station – Grand Bisse de Vex – Les Mayens-de-Sion – Hérémence – Pont de Letévèno – Erdpyramiden–Euseigne | |
Dauer: | 3.5 Stunden. 310 Meter aufwärts, 676 Meter abwärts. | |
Einkehr: | Diverse. Café du Relais in Euseigne am Schluss der Wanderung. Mittwoch geschlossen. | |
Hinkommen: | Bus vom Bahnhof Sion nach Veysonnaz Station. |
Kolumne von Thomas Widmer
Schön, wieder einmal im Wallis unterwegs zu sein. Unsere Wanderung gilt, um es vorwegzunehmen, einem Naturphänomen, das man getrost als kleines Weltwunder bezeichnen darf. Die Sache beginnt an der Bushaltestelle Veysonnaz Station hoch über Sitten – die Fahrt den Hang hinauf war atemberaubend. Die schlechte Nachricht: Veysonnaz, ein Ferienort, ist ziemlich verbaut. Die gute Nachricht: Wir sind nach fünf Minuten draussen in der Natur. Ein Wegweiser zeigt den Grand Bisse de Vex an. «Bisse» oder «Suone» heissen die historischen Wasserleitungen des Wallis. Manche führen halsbrecherisch durch Felswände. Unser Bisse hingegen ist zahm, das Wasser gluckert fast geradeaus, der Weg ist breit, die Jogger grüssen freundlich. Geben die Lärchen und Fichten eine Lücke frei, sehen wir das Rhonetal und hohe Berge.
Im Café-Restaurant am Bisse gibt es Malakoff, jenes Käseschnittenderivat, das Schweizer Söldner aus dem Krimkrieg mitgebracht haben sollen. Angeblich haben sie Mitte des 19. Jahrhunderts vor dem Fort Malakoff versucht, die heimatliche Käseschnitte in Öl nachzubacken. Das Resultat passte zum Krieg: eine Kalorienbombe. Vielleicht ist das für unseren Plan nicht die passende Speise, wir wollen ja doch noch ein gutes Stück laufen. Kurz sind wir auf einer unromantischen Strasse unterwegs, dann erreichen wir durch Wiese und Wald Hérémence, ein Grossdorf mit einer sehr speziellen Kirche, die gegen Ende der Sechzigerjahre entstand. Exaltiert, expressiv, exzentrisch ist das sich türmende Geschachtel aus rohem Beton mit den kleinen Fenstern. «Brutalismus» heisst der Baustil.
Wir geraten auf schmalem Wiesenpfad wieder in den Wald, erreichen die Dixence, queren sie auf dem Pont de Letévèno. Euseigne ist dann nicht mehr weit, als wir irgendwann – immer auf dem Wanderweg – auf einem Nebensträsslein an einen Ort gelangen, an dem zur Linken ein Marienbild steht, zur Rechten ein Spiegel für Autofahrer sowie der Wegweiser «Chemin des Pyramides».
Wir biegen links ein, es geht saftig abwärts, wir erreichen die Postautohaltestelle Pyramides d’Euseigne samt grossem Parkplatz – und voilà: Vor uns stehen im steilen Hang die berühmten Erdpyramiden. Scharfe Steinpfeiler, von denen manche neckische Kappen aus flachem Stein tragen. Erdgeschichtlich ging das so: Vom einstigen Gletscher blieb eine steile, betonharte Mittelmoräne. Wasser, Wind, Erosion setzten ihr zu, Teile wurden abgetragen, und dort, wo Steine sassen, blieb die Wand, und es entstanden Pfeiler. Hat man mich verstanden? Ich hoffe es.
Vom Parkplatz steigen wir auf einem Weglein ab, stehen nun direkt vor den Pyramiden. Von ihnen wieder Abschied nehmen und ins nahe Euseigne hinüberziehen fällt nicht leicht. Die Pyramiden von Euseigne sind eine Bizarrerie im Gelände, Kappadokien in der Schweiz, geologische Erotik. Besuch dringend empfohlen. Am Schluss der Wanderung setzen wir uns im nahen Dorf in das Café du Relais und bestellen eine Walliser Speise. Sie darf jetzt nach Wanderende durchaus saftig sein.
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